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Orbán verspricht Halbierung der Inflation

17. Oct. 2022

Die Wochenzeitungen befanden sich bereits an den Kiosken, als Ministerpräsident Viktor Orbán seinen Finanzminister anwies sowie den Präsidenten der Nationalbank nachsuchte, sie mögen die Inflation im nächsten Jahr um die Hälfte senken. Die Wirtschaftsredakteure jedoch hatten sich bereits bereits besorgt über die steigenden Inflationsraten geäußert, die im September im Jahresvergleich 20,1 Prozent erreichten. Immerhin konnten Internetportale bereits auf die Ankündigung des Ministerpräsidenten reagieren.

In seinem regelmäßigen Frühinterview mit Kossuth Rádió vom Freitag erklärte der Regierungschef, dass die Sanktionen gegen Russland den EU-Ländern mehr schaden würden als dem Kreml selbst. Orbán wies darauf hin, dass die ungewöhnlichen Inflationsraten ausschließlich auf externe Faktoren zurückzuführen seien – in erster Linie auf die gegen Russland gerichteten Sanktionen. Er versprach außerdem, dass die Regierung und die Nationalbank die Inflation bis 2023 um die Hälfte senken würden. Am selben Tag kündigte die Nationalbank Sondermaßnahmen an, um den Verfall des Forint zu stoppen und die Inflation zu bremsen. So weitete die Nationalbank die Bandbreite für den Tagesgeldzins auf bis zu 25 Prozent aus (und kündigte einen tatsächlichen Zinssatz von 18 Prozent für den ersten Tagesgeld-Tender an). Zudem wird die Nationalbank ihre Reserven nutzen, um die für die Begleichung der Energiekosten des Landes benötigten Devisen bereitzustellen, so dass Importeure keine Forint auf den Devisenmärkten tauschen müssen.

Rita Szlavkovits äußert die Befürchtung, dass bis zu 200.000 Unternehmen aufgrund der hohen Energiepreise und der steigenden Inflation in die Knie gehen könnten und damit eine Million Arbeitsplätze gefährdet seien. In Heti Világgazdaság bezeichnet die linksliberale Journalistin die Maßnahmen der Regierung zur Senkung der Energiepreise für nicht ausreichend. Selbst Kommunen hätten bereits begonnen, den Betrieb von Sportanlagen und anderen öffentlichen Einrichtungen einzustellen, um auf diese Weise Energiekosten zu sparen. Laut Szlavkovits wird die Regierung ohne Finanzmittel der EU über kein Geld verfügen, um die Wirtschaft zu schützen.

In Magyar Demokrata erklärt Attila Kovács die rasante Inflation und die hohen Energiepreise mit dem Ukraine-Krieg sowie den EU-Sanktionen gegen Russland. Der rechtsgerichtete Analyst fragt sich, ob die Bevölkerung der EU-Staaten die teure Unterstützung der Ukraine durch die Europäische Union wohl gutheiße und sie willens sei, ihren Wohlstand zu opfern, um einem Nicht-EU-Land zu helfen. Der Forschungsdirektor der regierungsnahen Denkfabrik Zentrum für Grundrechte wirft der EU-Führung vor, sie höre nicht auf ihre Bürger und habe es verabsäumt, die uns selbst benachteiligenden Sanktionen zu überarbeiten. Er kommt zu dem Schluss, dass die ungarische Regierung in der EU allein dastehe, weil sie sich für die Wünsche der Menschen interessiere und dementsprechend handele.

Szabolcs Szerető von Magyar Hang räumt ein, dass eine Zahlungsunfähigkeit des ungarischen Staates kaum wahrscheinlich sei. Dennoch vertritt er die Ansicht, dass die Wirtschaft in einer tiefen Krise stecke. Der Haushalt habe überarbeitet werden müssen, während die Handelsbilanz aufgrund der explodierenden Energieimportpreise ein Rekordtief erreicht habe. Szerető wirft der Regierung vor, sie missbrauche Brüssel als Sündenbock für die Inflation. Es wäre besser, sie würde eine Verständigung erreichen und im Gegenzug EU-Mittel zur Linderung der wirtschaftlichen Probleme Ungarns erhalten. Trotz aller Schwierigkeiten geht Szerető davon aus, dass, sollte Ungarn kurz vor dem Insolvenzabgrund stehen, Budapest sich an den IWF wenden werde, um einen Zahlungsausfall zu vermeiden.

Auf Portfolio interpretiert István Madár die Ankündigung der Nationalbank, den Tagesgeldsatz zu erhöhen, als eine Kehrtwende (siehe BudaPost vom 12. Oktober). In den Augen Madárs hat die Nationalbank getan, was sie tun musste. Nunmehr zahle sie einen hohen Preis – nämlich noch höhere kurzfristige Zinssätze – dafür, dass sie vor zwei Wochen das Ende der Leitzinserhöhungen angekündigt habe. Langfristig könnte der Nationalbank die Munition ausgehen, argwöhnt Madár und weist darauf hin, dass der weitere Abbau ihrer Devisenreserven Zukunftsrisiken erhöhen werde, während die Verluste der Bank aufgrund der höheren Zinssätze steigen dürften.

In einem Interview mit demselben Onlineportal begrüßt der Immobilienexperte Gábor Futó die Interventionsentscheidung der Nationalbank und die Anhebung des kurzfristigen Zinssatzes. Futó ist zuversichtlich, dass die Entscheidung zur Stabilisierung des Forint beitragen und die galoppierende Inflation bremsen werde. Zwar seien die hohen Zinssätze eine Belastung für die Wirtschaft, aber ohne die Anhebung könnte die Inflation zu einer noch tieferen Rezession und zu einem noch schwächeren Forint führen. Darüber hinaus ist Futó optimistisch, dass sich die Märkte beruhigen und die Zinsen sinken würden, sobald Ungarn die eingefrorenen EU-Mittel erhalte.

Zsolt Papp von Népszava sieht in dem außerordentlichen Eingreifen der Nationalbank vom Freitag einen Versuch in letzter Minute, den Zusammenbruch der ungarischen Wirtschaft und des Forint abzuwenden. Doch selbst die von der Nationalbank angekündigten drastischen und beispiellosen Maßnahmen könnten sich als nicht ausreichend erweisen, um das System zu retten, befürchtet der linksorientierte Publizist. Zwar könnten höhere Zinssätze dem Forint kurzfristig helfen, aber wenn sie nach unten durchsickern würden, machten sie Kredite noch teurer. Um die Wirtschaft zu stabilisieren, sollte die Regierung ihren Krieg mit Brüssel sofort beenden, den Euro einführen – und die Nationalbank mit einem kompetenten Management besetzen, lauten Papps Empfehlungen.

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