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Spekulationen über die Perspektiven der ungarischen Wirtschaft

31. Oct. 2022

Linke und liberale Stimmen machen Regierung und Nationalbank für den hohen Preis verantwortlich, den die Bewohner des Landes zahlen müssen, um das Vertrauen der Märkte zurückzuerlangen. Ein regierungsnaher Kommentator wiederum äußert sich zuversichtlich, dass Ungarn ungeachtet der weltweiten Wirtschaftskrise eine Rezession werde vermeiden können.

Csaba Szajlai zeigt sich optimistisch, dass Ungarn im Jahr 2023 nicht in eine Rezession abgleiten werde. Der konservative Wirtschaftsexperte der Tageszeitung Magyar Nemzet räumt ein, dass die weltweite Konjunkturflaute sowie die Inflation schwerwiegende Folgen für Ungarn haben dürften und dass die Nähe des Ukraine-Krieges makroökonomische Herausforderungen schaffe, die man mit denen des Jahres 2010 vergleichen könne. Dieses Mal jedoch werde Ungarn zur Aufrechterhaltung seiner Zahlungsfähigkeit nicht auf die Hilfe des IWF angewiesen sein, zeigt sich Szajlai überzeugt. Die von der Regierung verkündeten Ausgabenkürzungen würden das Vertrauen der Investoren wiederherstellen, das Defizit niedrig halten und der Wirtschaft helfen, eine Rezession zu vermeiden. Abschließend konstatiert Szajlai: Ungarn sei seit 2010 bei jeder durchgestandenen Krise noch widerstandsfähiger geworden.

Die Bemühungen der Nationalbank, mit Hilfe der Einführung rekordverdächtig hoher Tagesgeldzinsen die Inflation zu bremsen (siehe BudaPost vom 17. Oktober), stünden im Widerspruch zu dem, was andere Regierungen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstum unternehmen würden, schreibt Miklós Bonta von Népszava. Der linke Kommentator bedauert, dass die Nationalbank in ihrem letzten Bericht die geringere Nachfrage und die Verlangsamung des Lohnwachstums als ein gutes Zeichen begrüßt habe.

Balázs Váradi betrachtet die hohen Zinssätzen als einen Hinweis auf den Glaubwürdigkeitsverlust von ungarischer Regierung und Nationalbank. Im Wochenmagazin Magyar Narancs weist der liberale Politökonom darauf hin, dass die Schwächung des Forint ein klares Indiz für pessimistische Bewertungen der wirtschaftlichen Aussichten seitens der Investoren sei. Váradi räumt zwar ein, dass die Regierung versprochen habe, das Defizit niedrig zu halten und die Zinssätze innerhalb eines Jahres zu halbieren, doch glaubt er kaum an eine beruhigende Wirkung der Maßnahmen auf die Investoren. Im Vereinigten Königreich, so Váradi, habe das Kabinett erst eine Kehrtwende bei ihren Steuersenkungsplänen vollziehen und danach Premierministerin Truss zurücktreten müssen, um die Glaubwürdigkeit der Regierung wiederherzustellen und die aus dem Pfund Sterling geflüchteten Märkte zu beruhigen. Ungarn dürfte das Interesse der Anleger am Forint nur um den hohen Preis eines weiterhin hohen Leitzinses aufrechterhalten können, fürchtet Váradi.

Portfolio hält es für eine Überraschung, dass der Ministerpräsident neue Kursinterventionen angekündigt habe. (In seinem regelmäßigen Freitagsinterview mit Kossuth Rádió hatte Regierungschef Viktor Orbán mitgeteilt, dass sein Kabinett bald neue Preisobergrenzen einführen werde, um die Lebensmittelpreise niedrig zu halten. Zudem erklärte er, dass die früher eingeführten Preisobergrenzen über das Jahr 2022 hinaus verlängert werden sollen – Anm. d. Red.)
Das unabhängige Wirtschaftsnachrichtenportal stellt fest, dass festgesetzte Preise zu Engpässen führen können. Außerdem würden die Erzeuger die Preise für andere Produkte anheben, um ihre Verluste zu decken, oder sie könnten minderwertige Produkte verkaufen. Große Einzelhandelsketten könnten es sich leisten, bestimmte Produkte unter dem Marktpreis zu verkaufen, während kleine Geschäfte es schwer haben dürften sowie einige von ihnen, insbesondere in kleinen Ortschaften, sogar schließen könnten.

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