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Wahlrechtsflickschusterei und die Opposition

11. Dec. 2023

Regierungskritiker werfen dem Kabinett vor, die Wahlvorschriften skrupellos zu manipulieren, während die publizistische Gegenseite derlei Anwürfe als unbegründet und erbärmlich zurückweist.

Szabolcs Szerető verurteilt die neue Wahlordnung für die Stadt Budapest, die in Kürze vom Parlament verabschiedet werden soll. Sie sei von dem Wunsch getrieben, die Position des Oberbürgermeisters zu schwächen, der ein Gegner der Regierung sei, notiert der Kolumnist in Magyar Hang. (Zur geplanten Änderung siehe BudaPost vom 2. Dezember.) Die „Ursünde“ gehe auf das Konto der linksliberalen Koalition, die das Budapester Wahlsystem nur wenige Wochen vor den Kommunalwahlen 1994 geändert habe. Doch anstatt die Ursünde hinter sich zu lassen, sei die politische Elite des Landes offenbar entschlossen, sie immer und immer wieder zu begehen, beobachtet Szerető.

Im Leitartikel auf der ersten Seite von Magyar Narancs heißt es, dass Ungarn zumindest in den vergangenen zwölf Jahren keine Demokratie gewesen sei, da die Regierenden – je nach ihren momentanen Interessen – immer wieder an den Wahlbestimmungen herumgefummelt habe. Die liberale Wochenzeitung vergleicht die „dummen Leute“, die nach wie vor noch an die Demokratie in Ungarn glaubten, mit Verfechtern der Theorie einer flachen Erde. Die Redakteure versteigen sich gar zu der Behauptung, dass „wir nur noch eine Armlänge von den Verhältnissen vor der Wende entfernt sind“.

Eine andere liberale Wochenzeitung erscheint mit einer Titelgeschichte, in der es heißt, die amtierende Regierung wolle ihre Herrschaft durch eine Änderung der Wahlverfahren verewigen. In Heti Világazdaság beklagen die beiden Autoren Zoltán Farkas und Márton Gergely zudem, dass die gnadenlosen gegen die Opposition gerichteten Kampagnen nicht vom Fidesz selbst, sondern vom Amt des Ministerpräsidenten sowie von „Pseudo-NGOs“ mit öffentlichen Geldern gesteuert würden. Unterdessen seien die den politischen Parteien zugewiesenen Finanzmittel beschnitten worden. Und wenn diese die Vorschriften zu umgehen versuchten, würden sie unmittelbar mit hohen Geldstrafen belegt, kritisieren Farkas und Gergely.

Der regierungstreue Kolumnist Dániel Kovács vom Wochenmagazin Demokrata rät dagegen der Opposition, sie sollte sich glücklich schätzen, wenn der Budapester Stadtrat nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden würde, statt sich aus Bezirksbürgermeistern und solchen Kandidaten zusammenzusetzen, die aus dem Reservoire von Verlierern der Stadtbezirkswahlen ausgewählt worden seien. Tatsächlich sei dies das System vor dem Jahr 2014 gewesen. Als die Regierung es novelliert habe, hätten linke Parteien ihr antidemokratische Tendenzen unterstellt. In den Augen des Kolumnisten ist es absurd, dass die Opposition der Regierung denselben Vorwurf mache, wenn sie zum alten System zurückkehren wolle.

Die Wähler der Opposition könnten es nicht nachvollziehen, dass ihre Parteien von ihren eigenen internen und innerparteilichen Konflikten und Diskussionen über das Wahlsystem, das für den größten Teil des Wahlvolkes uninteressant sei, überrollt würden. Im Wochenmagazin Mandiner äußert Tamás Pindroch die Vermutung, dass die Wähler zunehmend das Gefühl haben könnten, diese Leute seien kaum geeignet, ungarische Städte zu regieren, weil sie mehr schaden als nutzen würden.

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