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Wochenpresse zum Verhältnis Budapest-Brüssel

5. Feb. 2024

Die Wochenmagazine und -zeitungen waren bereits im Druck, als sich Ministerpräsident Viktor Orbán am Donnerstag mit den übrigen EU-Mitgliedsländern über das strittige Thema von Finanzhilfen für die Ukraine einigte. Dennoch befassten sich mehrere Publikationen in ihren Kommentaren mit den Spannungen zwischen Ungarn und seinen westlichen Partnern.

Die Regierung schüre unter ihren Anhängern einen „grimmigen Nationalismus“. So lautet der Vorwurf von János Széky in seinem Leitartikel für Élet és Irodalom. Als Beispiele verweist er auf das im vergangenen Jahr verabschiedete Gesetz zum Schutz der Souveränität (siehe BudaPost vom 20. November 2023) sowie die bei den Regierenden vorherrschende Neigung, die Europäische Union als Imperium zu bezeichnen. Grimmiger Nationalismus, schreibt der Ressortleiter Außenpolitik der regierungskritischen Wochenzeitung, sei wie Heroin. Entsprechend Süchtige würden nach immer höheren Dosen verlangen. Gesunder Menschenverstand werde nicht helfen, sie zu heilen. Um ihn loszuwerden, bedarf es einer starken Entschlossenheit – und der Weg dorthin werde sich als schmerzhaft erweisen.

In Heti Világgazdaság äußert Györgyi Kocsis die Ansicht, dass Ministerpräsident Orbán Ungarn nicht aus der Europäischen Union herausführen, sondern vielmehr die europäische Integration in gewissem Ausmaß rückgängig machen wolle. Da er aber den vereinten Markt beibehalten möchte, müsse er integrierten Institutionen zustimmen, um diesen Markt zu regulieren und die Rechtsstaatlichkeit zu garantieren, so die Kommentatorin. Andernfalls würden sich die Marktteilnehmer unsicher fühlen. Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit sowie Sanktionen seitens der Europäischen Union richten sich ihrer Meinung nach also nicht gegen die ungarischen Bürgerinnen und Bürger. Vielmehr sollen sie sie als Akteure des gemeinsamen Marktes schützen.

Gábor Bencsik vertritt die Auffassung, dass es beim EU-internen Ringen nicht um Rechtsstaatlichkeit, sondern um Macht sowie darum gehe, wer die Seele des Kontinents erobern werde. Als Beweis für seine These beschreibt er in seinem Beitrag für das Wochenmagazin Demokrata, wie die neue polnische Regierung unter Nichtachtung zweier Gerichtsurteile führende Mitarbeiter des staatlichen Fernsehens entlassen habe, wobei die Spitzenpolitiker der Union demonstrativ geschwiegen hätten.

In Jelen zitiert Dániel Bittner den frisch ernannten Direktor der Agentur für den Schutz der Souveränität. Tamás Lánczi habe Bedenken, seine Behörde könnte Regierungsgegner verfolgen, mit den Worten zurückgewiesen: Seine Aufgabe werde nicht über das Verfassen von Berichten hinausgehen. Mit anderen Worten wird es sich laut Bittner um eine „Stigma-Agentur“ handeln, die lediglich für den diesjährigen Wahlkampf und das Ziel geschaffen wurde, „das Land vor der Linken und den vermeintlich hinter ihr steckenden ausländischen Monstern zu schützen“.

In einem Interview mit Mandiner erklärt Lánczi selbst, dass die Bürger das Recht hätten, finanzielle Hintergründe von Medienunternehmen zu kennen. Auf die Frage, ob Ungarn gegen Eindringlinge aus dem Osten oder dem Westen geschützt werden müsse, antwortete der Behördenchef: Die Souveränität müsse vor jeder Bedrohung verteidigt werden, egal aus welcher Richtung sie komme. Im Jahr 2022 sei das Geld zur Beeinflussung der freien Wahlen aus den Vereinigten Staaten gekommen. Demzufolge stehe diese Seite im Vordergrund des öffentlichen Interesses.

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