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Behält Fidesz seine Zweidrittelmehrheit?

31. Mar. 2014

Kommentatoren aus dem linken Spektrum hoffen noch immer, dass ein Erdrutschsieg des Fidesz verhindert werden kann. In so einem Fall könnte sich die Linke glaubhafter über das neue Wahlrecht beschweren. Ihre Kollegen aus dem rechten Lager versuchen ihre Leser noch einmal zu mobilisieren. In ihrer Argumentation habe die Linke durch die jüngsten Skandale den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verspielt.

Das Ziel von Ministerpräsident Viktor Orbán bestehe darin, bei den Wahlen am 6. April zum zweiten Mal in Folge eine Zweidrittelmehrheit zu erlangen, glaubt Ákos Tóth in Népszabadság. Zunächst, weil eine überwältigende Mehrheit „ihn von jeder moralischen Verantwortung mit Blick auf das in den letzten vier Jahren Geschehene freisprechen würde“. Darüber hinaus vermutet der Autor, dass Orbán die Zwangslage hassen würde, „in einer Allianz mit Jobbik zu regieren“. Eine einfache Mehrheit sei für eine Regierungsbildung natürlich ausreichend, aber eine Großzahl der seit 2010 verabschiedeten Kerngesetze würde jeder zukünftigen Regierung nur einen engen Spielraum lassen. Da es für deren Änderung einer Zweidrittelmehrheit bedürfe, würde dies unangenehme Kompromisse erfordern. Gerade als Fidesz am Samstag zu seinem 5. „Friedensmarsch“ mobilisierte, um seine Zweidrittelmehrheit abzusichern, wandte sich der Autor an die Teilnehmer der tags darauf stattfindenden Oppositionsveranstaltung: Die Linke müsse demnach laut Tóth Einigkeit zeigen und „eine letzte Kraftanstrengung“ unternehmen, um den Leuten die Entscheidung darüber klarzumachen, ob sie sich tatsächlich „dem Unzumutbaren – der Schande“ beugen müssten.

Endre B. Bojtár, Chefredakteur von Magyar Narancs, hofft, dass sich die vom neuen Wahlgesetz verursachte ungleiche Verteilung der Chancen sowie die „Betrügereien des Orbán-Regimes“ nach dem Urnengang in einen Sargnagel für dieses Regime verwandeln würden. Wie überlegen der Fidesz-Sieg auch ausfallen möge, die Legitimität der neuen Regierung werde durch „die bewiesenen oder gerade stattfindenden Gesetzesbrüche“ untergraben werden. Allerdings würden Beschwerden der Opposition dann besonders glaubwürdig sein, falls der Fidesz nur mit einer knappen Mehrheit siegen sollte. In einem solchen Fall könne laut Bojtár argumentiert werden, dass der rechte Sieg auf Wahlbetrug basiere.

In der Druckausgabe von Heti Világazdaság lobt Gábor Juhász das Oberste Gericht (Kurie) für eine Reihe von Urteilen, die politische Werbung von Gemeinderäten oder der Regierung während des Wahlkampfes verbieten. Allerdings würden immer wieder Versuche unternommen, diese Vorschriften zu umgehen. Bis jedoch alle entsprechenden Bestrebungen von den Gerichten missbilligt seien, werde die Wahl Geschichte sein.

Am Tag des 5. „Friedensmarsches“ äußert sich Magyar Hírlap-Chefredakteur István Stefka, gleichzeitig einer der Organisatoren der regierungsfreundlichen Massenveranstaltung, in seinem Leitartikel wie folgt: Worum es bei der Wahl in der kommenden Woche ginge, sei die Frage, „ob wir den diskreditierten Gesichtern der Vergangenheit, den Post-Kommunisten der Gyurcsány-Koalition … gestatten zurückzukehren, um Ungarn erneut auszuplündern, seinen Reichtum an Ausländer zu verkaufen und sich die eigenen Taschen zu füllen“. Die heimische Linke hat sich in den Augen des Autors mit der internationalen Finanzwelt verbündet, um Ungarn zu diskreditieren. Ein internationaler Versuch Ende 2011, Ministerpräsident Orbán zu Fall zu bringen, sei durch den ersten „Friedensmarsch“ vereitelt worden. Nun, so fasst der Autor zusammen, müssten die Teilnehmer des „Friedensmarsches“ beweisen, dass sie nach wie vor bereit seien, zusammenzustehen und „die Art von Stärke und Berufung zu zeigen, die das Leben lebenswert machen“.

In der Druckausgabe von Demokrata nennt Péter Farkas Zárug den derzeitigen moralischen Zustand der Linken als eine Schande für die ungarische Demokratie in ihrer Gesamtheit. Er bezieht sich dabei auf Enthüllungen von János Zuschlag (vgl. BudaPost vom 10. März 2014) sowie den jüngsten Skandal um Gábor Simon, die ehemalige Nummer zwei in der Hierarchie der Sozialistischen Partei (vgl. BudaPost im Februar und März). Wenn, schreibt Zárug, die rechte Regierung eines Tages Rechenschaft ablegen müsse über ihre „tatsächlichen oder angeblichen Verfehlungen“, müsse sie sich sicherlich nicht von einer derart „verkommenen, moralisch debilen und skrupellosen Linken“ beurteilen lassen. Eine andere, sauberere Alternative sei nicht vorhanden. Deshalb „fühlt das politische Gemeinwesen Ungarns als Ganzes, dass es keine glaubwürdige Alternative zu Viktor Orbán und Fidesz gibt“, schlussfolgert der Autor.

Es sei ziemlich vielsagend, wenn sich der Parteimanager der MSZP, Árpád Velez, vor Genossen über einen ehemaligen Verbündeten anstatt über die regierende Rechte beschwere, meint György Pilhál in der Druckausgabe von Magyar Nemzet. (In einer vergangene Woche vom Online-Portal Index veröffentlichten Tonaufnahme von einer hinter verschlossenen Türen abgehaltenen Parteikonferenz hatte Árpád Velez beklagt, dass man zu Regierungszeiten die Taschen der Freien Demokraten habe füllen müssen, um die liberale Presse davon abzuhalten, die Sozialisten zu kritisieren. Das nächste Mal, fuhr er fort, werde man mehr Wert darauf legen, die eigenen Leute zu befriedigen – Anm. d. Red.) Nach Ansicht des Autors könne dieser Fall mit der Lügenrede von Ferenc Gyurcsány 2006 in Őszöd verglichen werden, mit der der Niedergang der Linken in Ungarn eingesetzt habe.

Unter der Überschrift „Das sind genau dieselben Leute“ meldet sich auf HVG online Árpád W. Tóta in Sachen Velez-Aufnahme zu Wort. Zur Erinnerung: Tóta hatte erst vor wenigen Tagen argumentiert, dass skeptische Wähler anstatt zu Hause zu bleiben lieber das kleinere Übel wählen sollten, womit in diesem Fall offensichtlich die Linksallianz gemeint war (vgl. BudaPost vom 27. März). Man bekomme bei der Aufnahme laut Tóta den Eindruck, „dass diese Leute keine andere Absicht haben, als ihre eigenen Leute zu bezahlen, was es vollkommen sinnlos macht, die Regierung auszutauschen“. Aber natürlich wäre es äußerst überraschend, wenn die Linke gewinnen würde. Dieselbe Sache anzubieten, während man doch zu unfähig sei, um sie zu verwirklichen, „ist kein Wettbewerbsvorteil“. Damit die Linke einen solchen Wettbewerbsvorteil bekomme, sollte Velez sofort von der gemeinsamen linken Liste verschwinden, schlägt der Autor vor. (Die Listen sind bereits gedruckt und jede Änderung kann nur per Hand eingetragen werden. Velez steht auf Listenplatz 17 und hat damit praktisch einen Sitz im neuen Parlament sicher – Anm. d. Red.)

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