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US-Ungarn-Beziehungen im Fokus der Wochenpresse

7. Aug. 2023

Obwohl die von den Vereinigten Staaten verhängten Beschränkungen beim visumfreien Reisen den meisten Ungarn kaum Probleme bereiten sollten, sehen die Wochenzeitungen und -zeitschriften darin eine durchaus ernste Entwicklung, die auf eine Verschlechterung der Beziehungen Budapests zu seinem wichtigsten Verbündeten hinweist.

In einer ungezeichneten Analyse weist Heti Világgazdaság darauf hin, dass die Beziehungen zwischen den beiden Regierungen nach dem Auszug von Donald Trump aus dem Weißen Haus im Jahr 2021 auf ein historisch tiefes Niveau gesunken seien. Meinungsunterschiede über LGBTQ-Fragen und die Beziehungen zu Russland hätten zu häufigen öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Seiten geführt. Inoffiziellen Berichten zufolge habe Ministerpräsident Viktor Orbán bei einem Treffen mit seiner Parlamentsfraktion hinter verschlossenen Türen die Biden-Administration zu den politischen Gegnern seiner Regierung gerechnet. Nach Ansicht des Wochenjournals könnten die jüngsten Einschränkungen der Visumfreiheit durchaus ein Hinweis auf eine weitere Verschlechterung der bilateralen Beziehungen sein. (Zu den Einzelheiten der Verschärfung der visafreien Einreise für Ungarn in die Vereinigten Staaten siehe BudaPost vom 3., 4. und 5. August.)

Zwar habe Ungarn eine Million in den Nachbarländern lebende Menschen eingebürgert – von denen einige ihren ungarischen Pass durch dubiose Machenschaften erhalten hätten –, dennoch sei dies nicht der eigentliche Grund für die von Washington erlassenen Reisebeschränkungen, heißt es im Leitartikel auf der ersten Seite des Wochenmagazins Magyar Narancs. Tatsächlich, so die Redaktion, hätten die USA angesichts dieser Probleme bereits sämtliche im Ausland geborenen ungarischen Staatsbürger von dem Programm für visumfreies Reisen ausgeschlossen. Die ungarische Regierung werde einfach nicht als verlässlicher Partner des atlantischen Bündnisses angesehen, da, wie die liberale Wochenzeitung behauptet, die Vereinigten Staaten und der Westen im Allgemeinen keine sensiblen Informationen mehr mit den ungarischen Behörden austauschen würden.

Szabolcs Szerető fand gerade noch genügend Zeit, um die verkündeten Beschränkungen wenigstens zu erwähnen, bevor seine Wochenzeitung Magyar Hang in Druck ging. Und so fügte er sie in eine Betrachtung kritischer Stimmen innerhalb des Fidesz ein. Der Autor notiert: Während die Regierung innerhalb des westlichen Bündnisses zunehmend isoliert werde, verschafften sich die Atlantiker innerhalb des Fidesz von Zeit zu Zeit Gehör. Szerető erwähnt eine Bemerkung von Zsolt Németh, dem Vorsitzenden des parlamentarischen Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, im Rahmen der alljährlichen Fidesz-Sommeruniversität in Siebenbürgen (Rumänien). Darin habe Németh die Regierung ermahnt, sie möge in all ihren Äußerungen deutlich machen, dass sie Russland als Aggressor in der Ukraine betrachte und das Recht der Ukrainer auf Selbstverteidigung anerkenne.

Drei Wochenzeitungen erschienen noch vor der Bekanntgabe der neuen Regeln für visumfreies Reisen von Bürgern Ungarns in die Vereinigten Staaten. Immerhin thematisieren sie die Haltung Budapests im Kontext der internationalen Politik. In einem Jelen-Artikel behauptet Zoltán Lakner, dass unter Ungarns Verbündeten kein einziger Staats- oder Regierungschef existiere, der Ministerpräsident Orbán gerne treffen möchte. Dennoch versuche er dieses Problem zu lösen, indem er, anstatt seinen Kurs zu ändern, „drum herum eine alternative Realität webt“. Lakner beklagt jedoch vor allem, dass weder eine alternative Gruppe, die Orbán und seine Anhänger herausfordern würde, noch eine alternative Interpretation des Weltgeschehens und der Rolle Ungarns darin vorhanden seien.

Gábor Bencsik räumt ein, dass die Divergenzen zwischen Ungarn und den Vereinigten Staaten sowie anderen westlichen Verbündeten in Fragen der Gleichstellung oder der Rechtsstaatlichkeit unangenehm seien. Dennoch vertritt der Redakteur des Wochenmagazins Demokrata die Auffassung, dass sie alle vor dem Hintergrund des Problems der unkontrollierten massenhaften Einwanderung verblassen würden. Er verweist auf Deutschland, wo Menschen mit Migrationshintergrund aktuell 28 Prozent der Bevölkerung ausmachten. Folglich wäre es sehr gut möglich, dass sie im Jahr 2050 mehr als die Hälfte der deutschen Einwohner bilden könnten, spekuliert Bencsik.

In Mandiner plädiert Márton Ugrósdy für eine mutige Erweiterung der Europäischen Union. Sollte die Ukraine relativ schnell aufgenommen werden, so argumentiert der Analyst für internationale Beziehungen und stellvertretender Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten, hätten auch die Staaten des westlichen Balkans, die seit über einem Jahrzehnt auf der Warteliste stehen, sowie die Türkei gute Argumente für einen Beitritt. In diesem Fall wäre die EU gezwungen, ihre Ambitionen zurückzuschrauben und ihre derzeitigen Präferenzen hinsichtlich Gleichstellungsfragen oder Rechtsstaatlichkeit zurückzuschrauben. Für Ungarn hätte eine solche Erweiterung der Europäischen Union den zusätzlichen Vorteil, dass es von allen Seiten von EU-Mitgliedsländern umgeben wäre, schlussfolgert Ugrósdy.

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