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Entlassung des Nationalmuseumdirektors im Spiegel der Wochenpresse

13. Nov. 2023

Der Opposition nahestehende Kommentatoren vertreten die Meinung, dass die Entlassung des Direktors ein typisches Beispiel dafür sei, wie die Dinge unter der amtierenden Regierung abliefen. Hingegen bringt ein Kollege aus dem regierungsfreundlichen Lager seine Anerkennung für den gefeuerten Museumschef zum Ausdruck, ohne sich jedoch dezidiert mit den Gründen für dessen Entlassung auseinanderzusetzen.

László L. Simon war unvermittelt von seinem Posten als Direktor des Nationalmuseums abberufen worden, nachdem er es unterlassen hatte, Minderjährigen den Besuch der in seinem Haus präsentierten World Press Photo-Ausstellung zu verwehren. Auf einigen der Fotos ist ein Heim für schwule Rentner auf den Philippinen dargestellt (siehe BudaPost vom 7. und 9. November).

Nach Ansicht von Péter Morvay hat der Direktor die Funktionsweise des Systems nicht verstanden. Er habe nämlich geglaubt, sich wie ein Intellektueller benehmen, über Anweisungen hinwegsetzen und über diejenigen lustig machen zu können, die Homophobie als politische Waffe einsetzen. Seine Nachfolgerin, Judit Hammerstein, sei von ihrem früheren Posten als Direktorin der Nationalbibliothek entlassen worden, ohne jedoch für immer zur persona non grata zu werden, vermerkt Morvay in einem Artikel für Heti Világgazdaság. Das lasse vermuten, dass auch Simon irgendwann wieder in eine bedeutende Funktion berufen werden könnte.

In Magyar Hang beschreiben Benedek Ficsor und Ádám Makkai Simon als eine tief in die Hierarchie des Regimes eingebettete Persönlichkeit. Aufgrund dessen vermuten die Autoren, dass seine Entlassung auf höheren Ebenen als dem Kulturministerium beschlossen worden sei. Wahrscheinlich habe er seinen Freiraum überschätzt, als er seinem Minister offen die Stirn geboten und ironisch auf die Absurdität hingewiesen habe, die Ausstellung auf über 18-jährige Besucherinnen und Besucher zu beschränken. Das Problem bestehe darin, dass sich Simon damit ungewollt auch über das Regime selbst lustig gemacht habe, analysieren Ficsor und Makkai.

Simon habe sich in seiner Position zu sicher gefühlt und nicht erkannt, dass die Regierung es absolut nicht zulassen werde, wenn die extreme Rechte einen Teil ihrer Wählerklientel verführte, lautet die Analyse der Leitartikler von Magyar Narancs. (Tatsächlich wurde die Ausstellung von der rechtsextremen Parlamentsabgeordneten Dóra Dúró beim zuständigen Kulturminister angezeigt, weil sie nach Ansicht der Politikerin gegen das kürzlich verabschiedete Kinderschutzgesetz verstößt, das die Darstellung von Pädophilie und Homosexualität vor Minderjährigen verbietet – Anm. d. Red.) Während seiner gesamten Laufbahn habe Simon unermüdlich am Aufbau des Systems gearbeitet, schreiben die Redakteure. Sie führen es auf sein mangelndes Format zurück, dass er nun überrascht sei, was das System mit ihm angestellt habe.

Ganz anders sieht es András Bencsik vom regierungstreuen Wochenmagazin Demokrata: Der Kolumnist versichert dem Kulturminister, er habe nicht die Absicht habe, dessen Entlassungsbeschluss zu beanstanden oder zu hinterfragen. Immerhin versichert er dem geschassten Nationalmuseumsdirektor seine Wertschätzung und seinen Respekt für dessen Gelehrsamkeit und scharfen Geist. Bencsik erinnert zudem daran, dass das Nationalmuseum vor 120 Jahren mit László Réthy einen bekannten Gelehrten in führender Position beschäftigt habe. Dieser sei so ganz nebenbei auch noch Verfasser äußerst witziger, aber obszöner Gedichte gewesen. Glücklicherweise habe es damals in Ungarn keine Dóra Dúrós gegeben. Folglich, so der Kolumnist abschließend, sei Dr. Réthy sein Posten erhalten geblieben.

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